Bei meiner ersten Indienreise war ich in McLeod Ganj. Dort lebt seine Heiligkeit der Dalai Lama. Wir waren bei seiner Geburtstagsfeier im Tempel. Ich zitiere aus einer Mail von damals: „Fuck he, wir haben heut den Dalai Lama gesehen. Des war so ORG, mir kommen ständig Tränen in die Augen wenn i dran denk wie schön dass des war!“
So war es beim Papst nicht.
Die spirituelle Ergriffenheit ließ sich nicht blicken. Dafür beinahe 7.000 KatholikInnen, die Papst Franziskus zujubelten als wäre er Elvis. Oder Kurt Cobain. Oder Justin Bieber. Gekreische gabs jedenfalls.
Meine Mama lud mich auf die Romreise inkl. Ultreya und Papstaudienz mit der Cursillo Truppe (eine recht progressive Erneuerungsbewegung der katholischen Kirche) ein. Natürlich fuhr ich mit. Bin ja manchmal eine recht gläubige Christin und selber Cursillista. Abgesehen davon, dass Franziskus als irrsinnig sympathische Persönlichkeit auftritt und vermutlich das Beste ist, was der katholischen Kirche seit… Ewigkeiten… geschehen ist, war ich auch noch nie in Rom. Und oh ja – Rom ist wundervoll. In die Stadt habe ich mich umgehend verliebt. Und das Essen.
Unsere Air Bnb Unterkunft (top!) war direkt am Vatikan, wir hatten es nicht weit zur Audienz. Vor dem Petersdom angekommen schätzen wir rund 7.000 Cursillistas, die sich bunte Schals umbinden und Papst Buttons anstecken, die den Eintritt in die riesige und ziemlich beeindruckende Audienzhalle gewähren.
Wir warten. In der Masse. Über zwei Stunden. Ich bekomme einen Sonnenbrand und die alten italienischen Frauen, die sich vordrängen wollen, nerven. Ich kann „De Colores“ nicht mehr hören. Noch dazu darf die Schweizer Garde keine Selfies mit uns machen.
Als wir dann endlich einen Platz in der Halle ergattern sind noch immer die Willkommens-Acts dran. Menschen aus aller Welt erzählen vom Cursillo und ihrem Glauben. Alles auf Englisch. Niemand in der Landessprache. Dann hört niemand mehr zu. Alle stürmen Richtung Mittelgang. Denn da kommt er – der Papst.
Eines muss man ihm lassen – das Auftreten ist nicht nur in den Medien sympathisch. Er braucht eine halbe Ewigkeit bis zur Bühne nach vor, segnet auf seinem Weg jedes Kind. Die Babies werden ihm von den letzten Reihen nach vorne gereicht. Menschen weinen. Auf der Bühne angelangt, beginnt Franziskus zu sprechen. Auf Italienisch. Es gibt keine Übersetzung. Und mein Italienisch ist nicht im Geringsten gut genug um zu verstehen, was dieser nette alte Mann da vorne auf der Bühne spricht. Ich nicke ein und werde geweckt von tosendem Applaus. Nach knapp 40 Minuten ist er fertig. Wir beten gemeinsam ein Ave Maria. Das ist schön.
Der Papst lässt sich durch die Heulerei und das Gekreische aus dem Publikum nicht beirren, küsst die jungen Damen die ihm Blumen bringen, weigert sich, sich den Ring küssen zu lassen und bittet alle die vor ihm knien, wieder aufzustehen. Ja, man muss es ihm wirklich lassen – er wirkt bodenständig, authentisch.
Um 14:00 waren wir bei der Halle. Um 19.30 sind wir raus. Davon sahen wir den Papst knapp eine Stunde. Und verstanden nichts von seinen Worten. Es war trotzdem schön. Das nächste mal allerdings, da will ich eine Privataudienz.
De colores!