I’m migrant. Are you?

Über meine sozialen Netzwerke bin ich neulich auf immigrant.im gestoßen. Der Sinn der Aktion ist es auf die Flüchtlingskrise aufmerksam zu machen und aufzuzeigen, dass egal woher man kommt, jede Familie eine Migrationsgeschichte hat. Foto hochladen, Herkunft wählen, Migrant sein. Klingt einfach, wars aber nicht. Denn die Auswahl der Herkunftsländer brachte mich, wie schon so oft, zum Nachdenken.

Bosnian/Herzegovinian?

Zur Auswahl standen in meinem Fall Austrian, Bosnian, Croatian, Herzegovinian. Bosnian und/oder Herzegovinian. Da haben wir das Problem. Meine Mutter ist in Bosnien und Herzegowina geboren. Herzegowina genauer gesagt (wenn man es ganz genau nimmt im „und“ der Länderbezeichnung, da in der Gegend um Tomislavgrad sowohl BosniakInnen als auch HerzegowinerInnen leben). Bosnian fällt für mich also weg. Obwohl ich damit den vorherrschenden Konflikten vor Ort zustimme. Denn ich grenze mit einer Auswahl Herzegovinian, Bosnien aus. Obwohl das Land Bosnien UND Herzegowina heißt. Kann man wirklich Herzegovinian sein ohne Bosnian zu sein? Oder muss man einfach akzeptieren, dass es zwei Länder in einem Staat sind?

Meine Familie aus der Gegend bezeichnet sich ohnehin als kroatisch. Als KroatInnen, die in Herzegowina leben. Geografisch gesehen sind sie es zwar nicht, aber die Lage muss ja nicht zwangsläufig für ein Zugehörigkeitsgefühl stehen. Zahlreiche Aufklärungsgespräche und hitzige Diskussionen am Weihnachtstisch bringen mich zwar nicht dazu die Rubrik „Balkan“ von meinem Blog zu streichen, aber zumindest dazu in diesem Fall weder Bosnian noch Herzegovinian als Herkunft zu wählen. Ich hadere noch ein wenig damit.

Croatian?

Croatian ist dafür umso stärker ausgeprägt. Ich kann ja auch nur die kroatische Hymne auswendig. Die bosnisch-herzegowinische habe ich vermutlich noch nie in meinem Leben gehört. Zumindest von der österreichischen kann ich den Refrain, aber die ist ja auch quasi Kroatisch, wenn man an Preradović denkt.

Das mit der Hymne ist also so eine Sache… Schon als Kleinkind habe ich mir die Strophen eingeprägt. Bei jedem Besuch meiner Verwandten in Lepoglava (und das waren viele!) stimmte mein Vater sobald wir die kroatische Grenze überquerten „Ljepa naša domovino…“ an. Und ich sang innerhalb kürzester Zeit voller Stolz mit.

Man könnte glauben, dass meine Eltern mir, ganz kroatiengetreu patriotisch, einen ausgeprägten Nationalstolz mitgegeben hätten. Haben sie nicht. Dafür den Stolz auf die Sprachen die ich spreche. Ich freue mich darüber zweisprachig aufgewachsen zu sein, Kroatisch meine Erstsprache zu nennen. Aber Kroatisch ist nicht gleich Kroatisch. Und spreche ich nicht eigentlich B/K/S? Meine KollegInnen hier im Büro lachen herzhaft, wenn ich zwecks falscher Betonung aus einem Kriegsverbrecher/helden einfach Bargeld mache. Und als ich vor kurzem jemanden begrüßte wurde ich als „aus Bosnien“ identifiziert. Auch meine Cousine aus Zagorije schmunzelt über meine „bosnische“ Betonung während die aus Bosnien-Herzegowina behauptet ich würde Kajkavski sprechen. Versteht ihr noch was ich meine? Hätte ich noch Verwandte in Serbien, wäre das Chaos nicht nur am weihnachtlichen Familientisch perfekt.

IMmigrant (3)

Austrian?

Ich streiche also Bosnian und Herzegovinian aus meiner Liste und wähle ganz selbstverständlich neben Croatian auch Austrian. Obwohl meine Wurzeln nicht in dem Land liegen. Macht das Aufwachsen in einem Land die Nationalität aus? Laut Reisepass bin ich Österreicherin, bei jedem Fußballspiel Kroatin. Österreichische Kroatin, kroatische Österreicherin oder gar Österreicherin mit Wurzeln in Ex-Jugoslawien?

Aber eigentlich habe ich für dieses Herkunfts- und Nationalitätsdilemma schon vor Jahren eine einfache Lösung gefunden: woher ich komme oder woher jemand anderer kommt, spielt für mich im Grunde genommen überhaupt keine Rolle.

 

Hinterlasse einen Kommentar