Für das Blank Magazin erinnerte ich mich an meine Reise in den Iran. Ein gespaltenes Land mit Regeln und Verhaltenscodes, die ich manchmal einfach brechen musste.
„Islamic Republic is on the street“, erklärt mir ein junger Iraner und trifft damit den Nagel auf den Kopf, denn der Grat zwischen Privatem und Öffentlichem im Iran ist groß, das Land gespalten. Jedes Mal, wenn der Perser seine eigenen vier Wände verlässt, bedeckt er sich tugendhaft, spricht Floskeln, die Ayatollah Chamene’i genehmigt, und macht sich bereit für die wachsamen Augen der iranischen Sittenpolizei. Nicht so jedoch hinter den dunklen Vorhängen der prachtvollen Häuser oder kleinen Wohnungen, deren Innenräume komplett vor neugierigen Blicken geschützt sind. Dort wird Kopftuch durch Tanktop und Tee durch Wodka ersetzt. Und der Iraner zum Protagonisten im Katz-und-Maus-Spiel des Gottesstaates.

Ayatollah Ali Chāmeneʾi (rechts) ist oberster Rechtsgelehrter seit 1989. Er ist der Nachfolger von Ruhollah Khomeini und politischer und geistlicher Führer des Iran.
Gesetze brechen als Volkssport in der Hochburg der konservativen Schiiten? Man sollte vermutlich nicht bei allen Iranern davon ausgehen, dass sie die chronische Lust am Gesetzebrechen ausleben. Doch in einem Land, in dem der Großteil der Bevölkerung unter 35 Jahre alt ist, kommt man um diese Vermutung kaum herum. Die Regeln der Islamischen Republik passen nicht zur Realität einer globalisierten Welt des 21. Jahrhundert.

Unter den iranischen Jugendlichen kursiert ein Sprichwort: „Es gibt keine dunklere Farbe als Schwarz“ – viele leiden unter dem religiösen Regime des Iran.
„Everyone does it“, beruhigt eine junge Iranerin meinen fragenden Blick, als sie mir Wodka ins Glas schenkt und mir den Teppich als Bett richtet. Ich konnte also gar nicht anders, als die Regeln des Mullah-Staates auf meiner Tour zu brechen – hier die Top Fünf meiner Gesetzesübertritte, bei denen man sich besser nicht erwischen lassen sollte.
Couchsurfen…
… erlangte nicht erst durch Stefan Orths großartige Lektüre „Couchsurfing im Iran“ an Bekanntheit. 25.566 Unterkünfte im Iran bietet die beliebte Sofa-Plattform mit Stand November 2015 an. Nimmt man Ausländer mit nach Hause, verlangt der Gottesstaat nach einer Touristenlizenz, erzählt mir mein Gastgeber in Shiraz – innerhalb von 24 Stunden muss man den Besuch bei der örtlichen Polizei melden. Wer auf seiner Reise jedoch tatsächlich auf eine Nacht auf dem Wohnzimmerteppich einer iranischen Familie verzichtet, der verpasst nicht nur Gastfreundschaft, sondern laut dem Bundesministerium für Äußeres auch die Gefahr des Passentzugs oder eines Gerichtsverfahrens.

Das iranische Wohnzimmer wird von einem großen Teppich dominiert. Er ist sowohl Esstisch, Sofa als auch Bett für Gäste.
Alkoholgenuss…
… ist per Scharia, also dem religiös geltenden Gesetz, untersagt. Ganz einfach. Erwischt die Polizei jemanden beim Konsum drohen 88 Peitschenhiebe. Und ein Jahr Freiheitsstrafe pro Liter berauschender Getränke, die derjenige bei sich hat. Seit der Gründung der Islamischen Republik Iran 1979 sind Diskotheken und der Genuss von Alkohol streng verboten. Dunkle Vorhänge und schwere Eingangstüren machen das Feiern trotzdem möglich. Die Partys am Stadtrand sind berühmt-berüchtigt und der armenische Wodka, der am Schwarzmarkt pro Flasche bis zu 100 Euro kosten kann, ist nur zu empfehlen.
Social Media…
… gibt es im iranischen Halal-Internet nicht. Dafür zahlreiche Apps, VPN-Tunnels und sonstige illegale Möglichkeiten, um ins lasterhafte World Wide Web zu gelangen. Facebook, Skype, und Co. sind dem islamischen Staat nicht geheuer und deshalb gesperrt. Ebenfalls auf der Liste der verbotenen Dinge: Twitter. Ein Faible dafür Gesetze zu ignorieren hat aber nicht nur der Iraner von nebenan – auch der iranische Präsident Hassan Rohani zwitschert fleißig auf Twitter. Mit dem Abhören von Gesprächen und dem Telekommunikationsverkehr einschließlich E-Mails muss laut Bundesministerium für Äußeres trotzdem gerechnet werden. Wer von seiner Reise aus dennoch Bloggen möchte, der berichte nur, was im Sinne des Regimes ist, denn dieses schrecke, laut einer Iranerin, bei Systemkritik nicht vor drastischen Maßnahmen zurück.

Unser erster Post aus dem Iran – über VPN Apps oder den Tor Browser war es möglich die Heimat am Laufenden zu halten. Offiziell will die Regierung durch die Sperren Spionage verhindern.
Hijab…
… muss sein. Auf offener Straße gilt ganz klar: don’t break the rules – bend them. Frau im Iran zeigt entweder modisches Kopftuch über dem Haar oder bedeckt sich sittsam hinter dem schweren, schwarzen Tschador, der nicht einmal mehr einen weiblichen Körper dahinter erahnen lässt. Um das patriarchalische Symbol kontrolliert provokant zu tragen: einfach den Schal immer wieder nach hinten rutschen lassen und die Sittenpolizei damit nur soweit verärgern, dass es Ermahnungen gibt. Eine moderne Iranerin trägt ihr Kopftuch mit Sicherheit noch einen Zentimeter weiter hinten als man selbst, und zu Hause angekommen wird die zünftige Tracht ohnehin sofort in die Ecke geworfen.

Als Hijab wird meist das Kopftuch und angemessen bedeckende Kleidung bezeichnet. Der Tschador ist ein langer Umhang, meist schwarz, der zusätzlich über Hijab getragen wird.
Singen und lachen…
… tut man im Iran nicht – oder besser gesagt: tut Frau im Iran nicht. Seit der Islamischen Revolution 1979 gibt es für Frauen ein striktes Gesangsverbot in der Öffentlichkeit. Das hindert die rebellische Dame aber nicht daran, Janis Joplins Klassiker auf Teherans Straßen zu singen und sich damit Blicken auszusetzen, die sie bereits für lautes Lachen kassiert hätte. Lachen ist nämlich nicht besonders tugendhaft für die Frau im Iran. Dramatische Strafen musste ich aber keine fürchten – die gibt es nur für Wiederholungstäterinnen, erzählt mir eine Iranerin. Nach der dritten Ermahnung folgen Belehrungen und auch Freiheits- und Geldstrafen. Während Frauen im Iran bei Aufführungen keine Solos singen dürfen, haben es die Männer aber auch nicht leicht: Die Texte dürfen nämlich nicht regimekritisch sein, nicht westlich klingen und auf Konzerten darf weder getanzt noch geklatscht werden.